Antrag aus Gagausien Russlands Nadelstiche: Vorboten einer Eskalation in Moldau?
Gagausien ist eine kleine, autonome Region in Moldau. Doch sie spielt eine Rolle bei Versuchen des Kremls, das Land zu destabilisieren.
Eine autonome Region in Moldau ist Schauplatz neuer Nadelstiche des Kremls gegen die Regierung in der Hauptstadt Chișinău. Das pro-russische Gagausien hat sich an das Parlament von Moldau gewandt und verlangt, der russischen Sprache den besonderen Status einer "interethnischen Sprache" zu verleihen.
Dahintersteckt, so die Einschätzung unter anderem von Experten des amerikanischen Instituts für Kriegsstudien (ISW), eine auch gegenüber der Ukraine angewandte Taktik. Der Kreml hatte gegenüber Kiew immer wieder behauptet, die russischsprachige Bevölkerung werde diskriminiert.
Da eine Ablehnung des Antrags im Moldauer Parlament wahrscheinlich ist, wird die Regierung schon jetzt als russenfeindlich dargestellt. Entsprechend äußerte sich die kremlnahe Gouverneurin von Gagausien, Jevgenia Gutsul, laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass. Sie bezeichnete das moldauische Parlament als "russophob".
Neben der abtrünnigen pro-russischen Region Transnistrien ist auch Gagausien weitgehend von russischer Kultur und Politik beeinflusst, die meisten Menschen lesen russische Medien, die Amtssprache Rumänisch wird immer weniger gesprochen. Etwa 160.000 Menschen leben dort. Nationalistische Kräfte der Gagausen befürchten, dass Moldau an Rumänien angegliedert wird. Bei einem Referendum im Jahr 2014 stimmten 98 Prozent für eine engere Bindung an Russland. Die Region ist laut der moldauischen Verfassung autonom und hat eine eigene Verwaltung, ist aber Teil des moldauischen Staates.
Larow beschuldigt den Westen
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte den Angriffskrieg gegen die Ukraine unter anderem auch damit begründet, dass diese teilweise eigentlich russisch sei. Sein Außenminister Sergej Lawrow beschuldigte in einem Radiointerview mit russischen Staatsmedien am Freitag den Westen, die moldauische Präsidentin Maia Sandu dazu gebracht zu haben, "Moldawien offen in die Nato zu ziehen, entweder direkt oder durch eine Vereinigung mit Rumänien".
Lawrow beklagte auch, dass der Westen dasselbe mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj getan habe. Der Vergleich mit der Ukraine dürfte dabei auch als Warnung gemeint sein. Ähnliche Anschuldigungen hatte es kurz vor dem russischen Angriff auf die Ukraine gegeben.
Und dann kam die – wenn auch verhohlene – Drohung Lawrows: Er kritisierte die "Annäherung der Republik Moldau an den Westen" und forderte auf, diese Entscheidungen zu überdenken. Der Westen würde die Bürger zwingen, in einem möglichen künftigen Krieg gegen Russland zu kämpfen. Damit bedient Lawrow ein immer wieder benutztes Narrativ der russischen Propaganda: Der Westen wolle Russland angreifen.
Dabei ist es Russland, das in der Provinz Transnistrien, deren Machthaber sich von Moldau losgesagt haben, dauerhaft etwa 1.500 Soldaten stationiert hat. Ende Februar bat das Parlament der international nicht anerkannten Region um "Schutz aus Russland". Der Westen hat das Spiel durchschaut. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat Anfang April der Republik Moldau die weitere Unterstützung Deutschlands zugesichert. "Wir stehen seit zwei Jahren fest an eurer Seite", sagte Baerbock am Dienstag anlässlich des Besuchs ihres moldauischen Amtskollegen Mihai Popsoi in Berlin. "Kein Land ist der Hinterhof von irgendjemandem. Ihr gehört zu Europa."
Das amerikanische ISW sieht in den russischen Äußerungen und dem Antrag in Gagausien eine taktische Drohung. Sie sei ein Mittel Russlands, die Gesellschaft in Moldau zu destabilisieren, die demokratische Regierung zu attackieren und eine Mitgliedschaft in der EU zu verhindern.
- understandingwar.org: "Russian Offensive Campaign Assessment, April 19, 2024" (englisch)
- kp.ru: "Полная стенограмма интервью главы МИД России Сергея Лаврова российским радиостанциям 19 апреля 2024 года Читайте на" (russisch)
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa